Geburt von Karl Marx, 5. Mai 1818

Von Ulli Diemer


Marx lebte von Dialektik und Revolution. Für Marx bedeutete Radikalismus, auf den Grund der Sache zu gehen. Marx' Radikalismus bestrebte, auf den Grund des Kapitalismus zu gehen, seine Essenz zu begreifen, seine inneren Widersprüche, und die Grundsteine für Revolution, die in ihm enthalten waren, zu verstehen.

Die soziale Realität, die er beobachtete, war nicht gefestigt und statisch, sondern mit inneren Spannungen und Widersprüchen geladen, die sich steigerten, bis sie die Beschränkungen der gegenwärtigen Ordnung durchbrachen und neue Formen annahmen. Diese hatten wiederum ihre eigenen Spannungen und beinhalteten abermals weitere Veränderungen. In einer kapitalistischen Gesellschaft, schrieb er, "werden alle gefestigten, eingefrorenen Beziehungen mit ihrer langen Kette aus uralten und ehrwürdigen Vorurteilen und Meinungen weggefegt. Alle neu geformten Vorurteile und Meinungen veralten, bevor sie verkrusten. Alles, was fest ist, löst sich in Luft auf, alles, was heilig ist, entweiht".

Zum Sozialismus gelangte Marx im Gegensatz zu seinen Vorgängern nicht, indem er Modelle für imaginäre Utopien erstellte, sondern durch seine Beteiligung im echten Kampf für Demokratie.

Er begann, Wirtschaftswissenschaft zu studieren - nicht wegen der theoretischen Vorurteilen, sondern, weil er als radikaler Journalist versuchte, die Unterdrückung der armen Bauern besser zu verstehen und Herausforderungen beleuchten wollte.

Marx kam nie dazu, ein abgeschlossenes System zu errichten. Im Gegenteil: er tat sich schwer damit, irgendeines seiner Texte fertig zu schreiben, weil er fand, dass es immer mehr gab, das er lernen könnte, und es immer weitere Komplikationen gab, die er untersuchen und analysieren könnte. Er hoffte, das Manuskript, das unter dem Namen das Kapital veröffentlicht werden sollte, in wenigen Monaten fertigzustellen. 24 Jahre später war es noch immer nur zur Hälfte abgeschlossen, und sein Freund Friedrich Engels musste es nach seinem Tod beenden.

Immerzu vertiefte Marx seine Analyse infolge von Ereignissen: von örtlichen Herausforderungen von Webern und der ländlichen Armen in Deutschland, dem Widerstand gegen den britischen Imperialismus in Indien, dem Kampf gegen Sklaverei in den USA, der Pariser Kommune, bis zur langen Kampagne für den Kampf um den 8-Stunden-Tag.

Ständig passte er seine Theorien an die Fakten an, und nicht die Fakten an seine Theorie. Verärgert über schulmeisterliche Bewunderer, die eine "Marxistische" Orthodoxie predigten, knurrte er, "Wenn eines sicher ist, dann ist es, dass ich selbst kein Marxist bin".

Seine Ermittlungen verhalfen ihm zu einem Verständnis über den Klassencharakter der Gesellschaft; darüber, wie Wirtschaftsbeziehungen und Produktionsverhältnisse eine Gesellschaft formten, inklusive ihrer Staatsform und Ideologie. Er erkannte auch, dass Klassenkämpfe unvermeidbar sind und dass sie ferner die Kraft sind, die Gesellschaften verwandeln können.

Marx' Analyse verdeutlicht, dass die Widersprüche des Kapitalismus nicht gelöst werden können. Kapitalismus ist ein System der beständigen Krise; in der Lage, den Planeten zu zerstören, an dem er sich großzügig bedient, um seinen endlosen Hunger nach mehr Gewinnen, Mehrwert und Kapital zu stillen. Marx stellte die Gefahren des Kapitalismus für die Erde klar. Wütend schrieb er über die Zerstörung, die er anrichtete und erinnert uns daran, dass wir "nicht die Besitzer der Erde" sind. Er war seiner Zeit weit voraus: er schrieb über den metabolischen Bruch zwischen dem Menschen und der Natur, den der Kapitalismus verursacht hat und eine Art der Entfremdung war, die der Erde irreparable Schäden antun konnte.

Marx' Ansichten über die Umwelt und ein Großteil seiner anderen Analyse wurden während seiner Lebenszeit nicht veröffentlicht. Viele Jahrzehnte lang war alles, was Marxisten über Marx' Werke wussten, auf drei Bände seiner Ausgewählten Werke beschränkt, und die drei Bände des das Kapitals. In den letzten Jahren wurde die Arbeit an seinen unveröffentlichten Werken fortgeführt. Die gesamte Sammlung von Marx' und Engels' gesammelten Werken wird voraussichtlich 124 Bände ergeben. Ein viel umfassenderes Bild von Marx kommt zum Vorschein. Beispielsweise würden diejenigen, die sich Marx als eurozentrisch vorstellen, überrascht darüber, wie sorgfältig er tatsächlich indigene Gesellschaften studiert hatte, und über seine Schlussfolgerung, dass es bis heute keine andere Gesellschaft gibt, die in den Aspekten Freiheit und Demokratie der Haudenosaunee (Irokesen) nahe kommt. Jedoch notierte er sich auch Aspekte dieser Gesellschaft, die nicht ganz dem Idealbild der Freiheit und Demokratie entsprachen.

Marx'sche Krisentheorie ist nicht die Theorie, dass der Kapitalismus eines Tages einfach zusammenbrechen wird. Er war sich bewusst, dass trotz all seiner Widerstände der Kapitalismus nicht von selbst fallen würde: er musste gestürzt werden. Marx war ein Revolutionär, kein wirtschaftlicher Determinist.

Marx glaubte, dass eine soziale Mehrheit existierte - die Arbeiterklasse, die Menschen, die die Arbeit der Gesellschaft erledigte - die in der Lage waren, den Kapitalismus und den kapitalistischen Staat zu stürzen. Gleichzeitig könnten sie sich auf diese Weise emanzipieren und die gesamte Gesellschaft emanzipieren. Er war der Meinung, dass Revolutionäre sich an den Kämpfen beteiligen sollten, denen sie im Hier und Jetzt begegnen. Gleichzeitig stellte er klar, dass letztendlich eine Revolution, die den Kapitalismus stürzt, welches ein globales System ist, eine internationale Revolution sein musste.

Marx' Ansichten waren deutlich, seine Politik war praktisch. Er stürzte sich in die Arbeit an der Internationale Arbeiterassoziation, die zu Beginn noch nicht einmal explizit sozialistisch war, weil er der Meinung war, dass es wichtig war, mit anderen zusammen zu arbeiten, die denselben Kampf kämpfen. Er hat nie versucht, eine politische Partei zu gründen, und obwohl er sich gewöhnlich als "Kommunist" bezeichnet, bezeichnete er sich gelegentlich auch als "Sozialist" oder "Anarchist", ohne sich zu sehr um die Terminologie zu sorgen.

Alles, was Marx schrieb und tat, verdeutlicht seinen tiefgreifenden und leidenschaftlichen Glauben an Selbstbefreiung. Er hatte keine Zeit für Möchtegern-Diktatoren und Erlöser, die die "Befreiung" bzw. "Emanzipation" von außen bringen wollten. Emanzipation bedeutete für Marx nur Selbstbefreiung. Das gemeinsame Arbeiten von Individuen, um sich zu emanzipieren. "Freie Assoziation" war sein Motto, gleicherweise für den Kampf als auch für die Gesellschaft, die wir erstreben.

Er wusste, dass er die zukünftige kommunistische Gesellschaft in seiner Lebenszeit nicht erleben würde, deren Motto "jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen" lauten würde. Dennoch widmete er sein ganzes Leben dem Bestreben, dies zu erreichen.

Ulli Diemer

Originaltext in englischer Sprache. Deutsche Übersetzung von Hamna Takhmir.




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