Am 11. November, der Tag, an dem der Erste Weltkrieg schließlich endete, gedenkt man in vielen Ländern, unter anderem in Kanada, an den gefallenen Soldaten. Dieses Datum war für mich schon immer sehr besonders, einerseits, weil es mein Geburtstag ist; andererseits, weil die Schrecken des Krieges an dem Tag endeten und die noch größere Schrecken, die darauf folgten, große Auswirkungen auf meine Familie, und dadurch auch auf mich, hatten.
Endlich schwiegen die Waffen am 11. November 1918, aber offenbar fürchteten sich viele Soldaten in den Schutzgräben, dass der Waffenstillstand sich als vorübergehend erweisen würde und dass das Kämpfen in Kürze weitergehen würde. Im Grunde hatten sie Recht, denn nach einigen Jahren begann es erneut. Die Art, wie der Krieg geführt wurde, und wie er endete, garantierte, dass es einen weiteren Krieg geben würde, der noch schlimmer sein würde. Einige Historiker behaupten, dass der Erste und der Zweite Weltkrieg so eng miteinander verbunden sind, dass sie in Wirklichkeit nur ein Krieg seien, der von einem vorübergehenden Waffenstillstand unterbrochen wurde.
Der Erste Weltkrieg war ein gewaltiges Verbrechen, das von den europäischen herrschenden Klassen geführt wurde, nämlich den Kapitalisten, Landbesitzern, Aristokraten und Politikern. Sie erwarteten, und hofften sogar, dass früher oder später ein Krieg ausbrechen würde, und sie erwarteten, dass sie von ihm profitieren würden. Ihre Vorstellungen reichten von Gewinn und Ruhm bis zu Eroberungen von Gebieten und Kolonien im Ausland. Keiner von ihnen glaubte, dass ihre Seite verlieren könnte, und der Verlust von Menschenleben machte ihnen nichts aus. Der Historiker Jacques R. Pauwels schrieb, dass der Krieg außerdem "als Gegenmittel für sozialen Aufstand dienen sollte, damit Arbeiter die Idee des Sozialismus, dass die bestehende Ordnung zugunsten des Nationalismus und Militarismus durch eine internationale Arbeitersolidarität gestürzt werden sollte, verwarfen". In anderen Worten bestand aus der Sicht der herrschenden Klasse einer der Vorteile des Krieges darin, dass die Arbeiter sich gegenseitig abschlachteten, statt ihre wirklichen Feinde zu bekämpfen.
Das Kämpfen endete um 11 Uhr am 11. November 1918. Die berühmte elfte Stunde des elften Tages des elften Monats, die viele Redner bei unzähligen Zeremonien an Gedenktagen erwähnen.
Bei solchen offiziellen Erinnerungen geht es fast genau so sehr um das Vergessen wie um das Erinnern, und das gilt auch für den 11. November. Warum endete das Kämpfen um 11 Uhr am 11. November?
Weil es einen feierlichen Klang hat. Weil die Generäle sich bereits zukünftige Gedenkfeiern vorstellten, in denen sie in Ruhm baden und an diesen historische Moment, die elfte Stunde des elften Tages des elften Monats, denken könnten.
Etwas, das an den Gedenktagen zum 11. November nie erwähnt wird, ist, dass Deutschland bereits am 9. November um einen Waffenstillstand, also um eine sofortige Beendigung des Kampfes, gebeten hat. Marschall Foch, der oberster alliierter Befehlshaber, verweigerte ein sofortiges Ende. Er bestand darauf, dass das Töten weitergehe, während die Einzelheiten des Waffenstillstandes fertiggestellt werden. Das Waffenstillstandsabkommen wurde schließlich am 11.November um 5:45 Uhr unterzeichnet. Aber Foch bestand darauf, dass es erst um 11 Uhr implementiert werden sollte. Denn 11 Uhr am 11. November klang eher bedeutungsschwer und historisch eindrucksvoll als 5:45 Uhr.
In der Zwischenzeit gingen die Kämpfe weiter, obwohl beide Seiten wussten, dass ein Waffenstillstand bald implementiert werden würde. So kam es zum Beispiel, dass am Morgen des 11. Novembers der Kommandant der kanadischen Streitkräfte bei Mons, General Arthur Currie, seinen Truppen befahl, Mons anzugreifen und von Deutschland wegzunehmen, obwohl er wusste, dass ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet wurde und in wenigen Stunden implementiert werden würde. Er wusste auch, dass das Dokument von den Deutschen fordern würde, dass sie die Stadt innerhalb von ein oder zwei Tagen verlassen müssten. Currie wollte jedoch nicht in die Stadt gehen, nachdem die Deutschen sie verlassen hatten. Er wollte sie ihnen gewaltsam entreißen. Später erklärte er, dass es eine Frage des Stolzes und des militärischen Ruhmes war. Ein letzter denkwürdiger Siegeszug der Soldaten unter seiner Führung.
Insgesamt wurden 2738 Männer in den letzten fünf ruhmreichen Stunden diesen ruhmreichen Krieges, nämlich zwischen 5:45 Uhr und 11 Uhr, getötet. Weitere 8206 wurden verletzt, viele von ihnen sehr schwerwiegend. Man könnte fast sagen, dass diese Tode und Verletzungen unnötig waren, aber in Wahrheit war jeder Tod in diesem Krieg nicht nur unnötig, sondern schlicht ein Verbrechen.
Mehr als 100 Jahre sind seitdem vergangen, und manchmal geben wir uns der Illusion hin, dass die Welt sich verändert hat. In gewisser Weise hat sie das auch, aber nicht, was die Verbrechen der Machthaber betrifft. Heute inmitten der feierlichen Veranstaltungen anlässlich des Ende des "Krieges zur Beendigung aller Kriege" setzt Israel seine völkermörderischen Bombardierungen von Gaza fort. Westliche Regierungen, inklusive der kanadischen Regierung, schicken Waffen und spenden dem Massaker Beifall. Die USA, die mit einem einzigen Anruf Israel befehlen könnten, die Bombardierungen einzustellen, geben vor, machtlos zu sein und daher nichts tun zu können. Die Verbrechen gehen weiter, und die Verbrecher bleiben an der Macht.
Ulli Diemer
2020, 2023.